Behinderung und erster Arbeitsmarkt

Schwerbehindert zu sein ist nach wie vor ein „Vermittlungshemmnis“ auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Schwerbehinderte Menschen bringen ein breites Spektrum verschiedenster Behinderungsarten mit ihren jeweils spezifischen Beeinträchtigungen mit und finden deshalb wesentlich schwerer einen geeigneten Arbeitsplatz als andere Menschen. Viele benötigen einen speziell auf die Bedürfnisse ihrer Behinderung eingerichteten Arbeitsplatz, brauchen mehr Ruhephasen oder eine besondere Prozessorganisation, die ihrer Behinderung geschuldet ist. Arbeitsplätze, die diesen Bedingungen gerecht werden, existieren nicht in ausreichender Zahl.

 „Die Zahl der schwerbehinderten Menschen ohne Arbeit ist in den letzten drei Jahren um zehn Prozent gestiegen.“ (BIH). Aus diesen Gründen ist gerade für schwerbehinderte Menschen Selbstständigkeit eine besonders bedeutsame Alternative zur Realisierung der Teilhabe am Arbeitsleben. 

Behinderung und Selbstständigkeit

„Behinderte sind den Belastungen einer Selbstständigkeit nicht gewachsen“

Menschen mit Schwerbehinderung, die sich mit einer guten Geschäftsidee selbstständig machen wollen, treffen oft auf offene oder unterschwellige Vorbehalte.

Sie sind immer wieder mit dem Vorurteil konfrontiert, Menschen mit Behinderung seien nicht leistungsfähig und daher den Belastungen einer Unternehmensgründung und -führung nicht gewachsen. Von Gründungen wird in der Regel abgeraten und/oder entsprechende Unterstützung, etwa in Form von Finanzkrediten oder Förderprogrammen, nicht gewährt. Immer wieder berichten behinderte Gründungsinteressierte, dass ihnen Kredite verweigert wurden, „weil sie behindert sind“ oder dass Ihnen die Arbeitsagenturen sagen: „Angesichts der Erholung auf dem Arbeitsmarkt fördern wir die Selbstständigkeit von behinderten Menschen nicht mehr.“

„Als eigener Chef schaffe ich mir behinderungsgerechte Bedingungen“

Nach 9 Jahren Erfahrungen mit dem Projekt enterability hat sich gezeigt: Gerade für viele Menschen mit Schwerbehinderung ist die Selbstständigkeit wichtig.

Es ist für viele – nicht für alle - die einzige Möglichkeit noch am ersten Arbeitsmarkt teil zu haben. Behinderte, die sich beruflich selbstständig machen, schaffen sich einen eigenen Arbeitsplatz, der ihren ganz individuellen Bedürfnissen entspricht.
Sie gestalten ihn behindertengerecht.

Teilhabe am Arbeitsleben hat einen ökonomischen Aspekt. Behinderte Unternehmer/innen verdienen für sich und ihre Familien den Lebensunterhalt durch eigene Arbeit. Sie werden unabhängig von staatlicher Unterstützung. Das ist wichtig – sehr wichtig.

Genauso bedeutsam sind aber auch die sozialen Aspekte der Selbstständigkeit. Wer arbeitet, steht mitten im Leben, hat vielfältige Kontakte, besteht Konflikte und „erfährt Respekt und Anerkennung“ – wie es einer der enterability-Gründer ausdrückt.

Behinderte gründen erfolgreich

  • mehr als 80 Gründungsinteressierte haben mit enterability in Sachsen-Anhalt gemeinsam ihre Geschäftsidee geprüft. Nicht alle dieser Gründungsinteressierten wagen den Sprung in die Selbstständigkeit. Nicht alle Ideen sind realisierbar und tragfähig. Die Mehrzahl der Gründungsinteressierten profitiert aber auch dann von der Qualifizierung wenn es nicht zur Gründung kommt. Sie setzen die erworbenen Kompetenzen gewinnbringend für ihre weitere berufliche Integration ein. Bereits während der Qualifizierungsphase bei enterability nehmen 20 Prozent der Teilnehmer/innen eine Beschäftigung oder Umschulung auf.
  • Bis Anfang Mai 2013 haben sich 21 Menschen mit Schwerbehinderung mit der Hilfe von enterability beruflich selbstständig gemacht. Sie sind jetzt Unternehmer/innen in Sachsen-Anhalt.

Da enterability in Sachsen-Anhalt erst im Jahr 2011 gestartet ist, liegen noch keine aussagefähigen Nachhaltigkeitszahlen vor. Wir können davon ausgehen, dass die Gründungen ebenso nachhaltig sein werden, wie in Berlin.

Positive Wahrnehmung schaffen

Behinderte Unternehmer werden in der Bundesrepublik nicht wahrgenommen. Menschen mit Behinderung wird vielfach nicht zugetraut, sich als selbstständiger Unternehmer zu behaupten. Viele behinderte Selbstständige verschweigen – aus guten Gründen - ihre Behinderung.  Sie sind in der Öffentlichkeit nicht sichtbar. Das muss sich ändern! Erste Schritte auf diesem Weg sind getan. Eine große Zahl von Geschichten erfolgreicher enterability-Gründer sind in Presse und Fernsehen erschienen. Hier finden Sie einige Presseveröffentlichungen. Die Fachöffentlichkeit interessiert sich für das Thema Unterstützung von Gründern/innen mit Behinderungen, ein politischer Diskurs über die besonderen Anforderungen an ein zielgruppengerechtes Begleitsystem wurde angestoßen. 
Ziel von enterability ist es, diesen Dialog kontinuierlich fortzusetzen und zu verstetigen, um so auch Gründungen von Schwerbehinderten zu einer arbeitsmarktpolitischen Selbstverständlichkeit zu machen. Das Projekt und damit das Thema ‚Behinderung und Selbstständigkeit‘ hat vielfältig öffentliche Anerkennung und Beachtung gefunden. Das dokumentiert sich unter anderem darin, dass der Rat für Nachhaltige Entwicklung im November 2008 als „Leuchtturm für eine Kultur der Nachhaltigkeit“ ausgezeichnet wurde. 


enterability wird gefördert durch das Ministerium für Arbeit und Soziales Sachsen-Anhalt